Veröffentlicht am: 23.12.2023

Jahresrückblick 2023 – 1. Mannschaft FC Herrliberg

Gekommen um zu Bleiben

Im Sommer 2022 knallten auf dem Langacker die Korken. Nach zwei Jahren voller harter Arbeit und süssem Schweisse haben sich die Seebuben ihren grossen Traum des Zweitligaaufstieges erfüllt. Es war der verdiente Höhepunkt von einem Prozess, welcher schon viele Jahre davor Anstoss nahm, und nahtlos unter der Leitung von Benz weitergeführt wurde. So hat man sich in Herrliberg entschieden, die Ausbildungsstrategie bei den Winzern abzuschauen, den eigenen Pflänzchen Platz und Sonne zuzugestehen, sie liebevoll zu nähren und zu begiessen, und geduldig die Reifung der Früchte abzuwarten. Das Resultat war, dass man während dieser Zeit konsequent Junioren aus dem eigenen Nachwuchs in die Erstmannschaft integrierte, und schliesslich den Pokal mit einem Kader in die Höhe stemmte, welcher ausnahmslos aus Spielern aus dem eigenen Verein bestand.


Die Freude über den Aufstieg in die 2. Liga war im Sommer 2022 grenzenlos.

Um das Jahr 2022 abzuschliessen und um mit der Abhandlung des Jahres 2023 zu beginnen, lässt sich in wenigen Worten festhalten, dass die Hinrunde in der Zweitliga durchzogen verlief. Das Fanionteam zahlte in so manchen Partien Tribut für die fehlende Erfahrung und schloss mit 15 Punkten knapp über dem Strich ab. Doch mit dieser Leistung wollte man sich am rechten Seeufer nicht begnügen. Als draussen noch eisiger Wind bliess und bissiger Schnee fiel, legten Benz und seine Mannen bereits die Saat für den kommenden Frühling aus. So belüftete man zwei Mal wöchentlich die Lungenflügel auf dem heimischen Kunstrasen und stählerte zusätzlich einmal die Woche das Fleischgewand im Kraftraum des lokalen Fitnesscenters. Die Vorbereitung verlief ganz nach dem Motto, ohne Fleiss kein Preis, oder nach den Worten von Mittelfeldstratege Vizner: “da lernte man Muskeln spüren, die man nicht zu haben glaubte“.


Im neu eröffneten High-Five Fitness in Feldmeilen wurden so manche Shirts durchgeschwitzt.

Der Höhepunkt der Vorsaison gipfelte im sechstätigen Trainingslager in Albufeira, wo man fussballerisch den letzten Feinschliff einzog, und bei gemeinsamen Aktivitäten den Teamgeist zum Leben erweckte.


Das Trainingslager in Albufueira wurde von DSW-Sport-Travel perfekt organisiert.

Als zum Abschluss die frostigen Temperaturen dem Weckruf des Frühlings wichen, und man aus drei von fünf Testspielen als Sieger hervorging, konnte man mit Frohlocken konstatieren, dass die Mannschaft für die Rückrunde gewappnet zu sein schien.

Doch wie so oft im Fussball, bewahrt einen eine gelungene Generalprobe nicht vor einer ernüchternden Hauptaufführung. Auf die überzeugenden Auftritte gegen Seefeld, Horgen, Urdorf und Schönenwend in den Testspielen, folgte ein Saisonstart zum Vergessen. Im Auftaktspiel gegen Zürich City zog man einen schwachen Tag ein, zeigte sich fussballerisch und läuferisch unterlegen, und musste sich sang- und klanglos mit 0:5 geschlagen geben. Auch in der zweiten Partie gegen Schwamendingen konnte man trotz Überlegenheit keinen Vollerfolg einfahren. Das Fanionteam, welches über 30 Minuten in Unterzahl spielen musste, war auf ein Traumtor in der hundertsten Minute angewiesen, für das Haussmann den Ball aus 30 Meter in das linke Eck zimmerte, um einen unerlässlichen Punkt gegen einen direkten Abstiegskonkurrent zu sichern. Der Aufschwung dieses kleinen Erfolgserlebnisses blieb aus, und man verlor im dritten Heimspiel in Folge gegen ein Rüti, welches durchaus schlagbar gewesen wäre. Die Osterpause kam für die Seebuben zur rechten Zeit. Die Mannschaft analysierte ihre Versäumnisse, verdaute die Enttäuschungen und schwor sich auf eine Partie in Bassersdorf ein, welche in Spanien als Partido crucial und in Deutschland als Schicksalsspiel bezeichnet worden wäre. Nach einer enttäuschenden ersten Hälfte auf einer schwer bespielbaren Wiese folgte eine Aussprache in der Kabine, welche die Wände zu vibrieren und die Bänke zum poltern brachte. Die freigelassenen Impulse nahm man mit auf den Platz, kämpfte um jeden Meter Rasen, und setzte sich schliesslich verdient mit 3:1 durch. Der 2:1 Torschütze Carlson würde es retrospektiv als ein „absolut verrücktes Spiel, welches mit Herzblut und Kampf zurückgewonnen wurde“ beschreiben. Die riesige Erlösung dieses Sieges lag nach Schlusspfiff des Schiedsrichters spürbar in der Luft!


Riesige Erleichterung nach dem wichtigen Sieg in Bassersdorf.

Es war der lang ersehnte Erfolg, welcher den Knoten zum Platzen, und das Gewirr aus taktischen und spielerischen Elementen in eine harmonische Ordnung brachte. So rang man in den folgenden Partien dem späteren Aufsteiger Dübendorf auf dem heimischen Langacker ein Unentschieden ab, behielt gegen die talentierte Nachwuchstruppe von Schaffhausen alle Punkte in Zürich, und erspielte sich in den schwierigen Spielen gegen Greifensee und Gossau jeweils einen Punkt.


Gegen Schaffhausen 2 durften die Seebuben den ersten Heimsieg der Rückrunde feiern.

Dieser Lauf an ungeschlagenen Partien bliess weiteren Wind in die Segel des Fanionteams, und entlud sich in einem Flutlichtspiel in Seen, welches im Nachhinein als eine der besten Leistungen der Saison bezeichnet werden würde. An einem regnerischen Mittwochabend brachte man als Einheit eine Leidenschaft, Intensität und Spielintelligenz auf den Platz, welche seinesgleichen in naher Zukunft suchen würde. Man liess den Phönix in Asche aufgehen, und bezwang einen starken und aufsässigen Kontrahenten nach 90 Minuten Spitzenfussball verdientermassen mit 2:1. Riesenerfolg!


Erschöpft, aber glücklich – das Team nach dem 2:1 Auswärtserfolg beim FC Phönix Seen.

Die Batterie musste nach diesem Kraftakt erst wieder aufgeladen werden. Mit einem bescheidenen Auftritt zu Hause gegen Veltheim und der folgerichtigen 0:1 Niederlage folgte der Durchhänger, welcher bei einem solchen Höhenflug zu erwarten war. Dieser Dämpfer tat der hervorragenden Stimmung im Team keinerlei Abbruch. Im Gegenteil bündelte man in Herrliberg für die letzten Partien der Saison die vorigen Ressourcen, verliess sich auf die Breite und Ausgeglichenheit des Kaders, und baute Freude und Spielwitz in die Trainings ein, welche in der Ernsthaftigkeit des Schlussspurtes für die nötige Lockerheit sorgen sollten. Und die Strategie sollte vom Erfolg gekrönt werden! Die Seebuben präsentierten sich Ende Mai von ihrer sonnigsten Seite, bezwangen Beringen diskussionslos mit 3:1, erkämpften sich gegen Wiesendangen ein 1:1 Unentschieden, und sicherten sich mit dem 4:3 Auswärtssieg in Seuzach mit 35 Punkten souverän den Klassenerhalt. Was für eine Leistung!


Es ist vollbracht! Nach dem 4:3 Sieg in Seuzach war der Klassenerhalt und der 9 Schlussrang dem Team nicht mehr zu nehmen.

Das Fussballdörfchen Herrliberg vollbrachte mit dem Ligaerhalt nicht nur ein Ergebnis, welches an die Unbeugsamkeit der Gallier gegenüber den Römern erinnerte, sondern es schrieb auch ein weiteres Kapitel in der vereinsinternen Fussballgeschichte. Und I. Lustgarten bringt die Gefühlslage mit „es erfüllt einen mit einem riesen Stolz, nach drei gescheiterten Versuchen die Hürde der Zweitliga als Verein endlich gemeistert zu haben“ perfekt auf den Punkt. Weiter führt er aus: „Diesen Klassenerhalt auf eine solch überzeugende Art und Weise zu realisieren, mit einer Mannschaft, die aus 22 Freunden besteht, hätte man sich wohl nicht schöner Erträumen können.“

Auf das Hoch sollte ein Umbruch folgen, welcher in diesem Ausmass nicht vorhergesehen werden konnte. Als wäre das Fanionteam nach drei Jahren auf offener See in einen sicheren Hafen eingekehrt, war die Sommerpause von Personalwechsel und Planungsschwierigkeiten gezeichnet, welche die Neubesatzung einer Crew mit sich bringt. Mit Spielern wie Linder, Schaller, Grimm, Haussmann, Schwarz, Gaube, Müller und Cavaliere ging nicht nur Talent, sondern auch viel Erfahrung von Bord.


Passend zur Sommervorbereitung kam so mancher Sturm über dem Langacker auf.

Aber es eröffnete sich für das Trainertrio Benz, Sieber & Avolio die Gelegenheit, bestehende Spieler an neuen Aufgaben wachsen zu lassen, und das Blut des Kaders mit der Neubekleidung von Positionen aufzufrischen. Im eigenen Nachwuchs zog man vielversprechende Talente wie Brauchli, Böckli, Koller, Stucki, Scot und Jeriha nach, und scoutete im Zürcher Oberland einen Ochchaev, welcher sich als absoluter Glücksgriff herausstellen sollte. Wenig überraschend war die Vorbereitung von enttäuschenden Auftritten und missglückten Experimenten geprägt, welche die Findungsphase einer neu bestückten Mannschaft mit sich bringt. Auch Innenverteidiger Abplanalp blickt auf einen turbulenten Sommer zurück: „Die Herausforderung bestand darin, trotz den zahlreichen Abgängen, Zuzügen und Absenzen von wichtigen Spielern eine Dynamik in die Mannschaft zu bringen, in welcher Freude und Leistung im Einklang standen. So mussten gerade die erfahrenen Spieler Verantwortung übernehmen und dafür sorgen, dass der negative Drive aus den Testspielen in positive Energie für die Ernstkämpfe umgewandelt werden konnte.“


Die schwache Präsenz in der Sommervorbereitung zeigte sich auch auf dem Teamfoto – gleich 6 Spieler fehlten beim wichtigen Fototermin.

Und diese Bemühungen sollten Früchte tragen! Man startete in die neue Spielzeit, als hätte man im Sommer den Motor nicht nur gewechselt, sondern auch zünftig aufgetunt. Die bestehenden Akteure übernahmen einen grossen Teil der abgegebenen Verantwortung, zeigten sich vom ersten Ernstkampf an in Bestform und wuchsen in so mancher Hinsicht über sich hinaus. Auch die brandneuen Ergänzungen scheuten keine Mühe, um die neuen Vorgaben aufzunehmen, und sich möglichst schnell in das bestehende Konstrukt einzufügen. Das Resultat liess sich sehen. Trotz ferienbedingter Abwesenheit von diversen Schlüsselspielern übertraf der Saisonstart mit zwei Unentschieden gegen Gossau und Bassersdorf und einem Auswärtserfolg gegen Kloten die Erwartungen. Die Findungsschwierigkeiten waren zwar ersichtlich, wurden aber mit einer doppelten Portion Einsatz und Kampf kompensiert.


Der erste Saisonsieg (hier in Kloten) tut immer besonders gut.

Doch die folgenden beiden Partien sollten zeigen, dass das Fanionteam doch noch viel Verbesserungspotential hatte, und dass erfahrene Zweitligateams Fehler gnadenlos bestrafen würden. Im Heimspiel gegen Veltheim verteilte man zwei Geschenke, welche dankend angenommen wurden, und zog mit einem 0:2 den Kürzeren. Eine Woche später verpasste man es, die Gegenspieler bei stehenden Bällen richtig abzuschirmen, und verlor nach drei Standardtoren mit 1:3 gegen den Aufsteiger Glattbrugg. Bittere Pille! Die beiden Schlappen waren ein Stachel ins Fleisch der Mannschaft, und verwandelten einen geglückten Auftakt in einen bescheidenen Saisonstart.

Für Perucchini avancierte diese Flaute zum Schlüsselmoment der zweiten Jahreshälfte: „Nach dem doch eher glücklichen Saisonstart haben uns diese Niederlagen auf den Boden der Realität zurückgeholt. Es war ein unmissverständliches Zeichen, dass Fahrlässigkeiten im mentalen, kämpferischen und disziplinarischen Bereich knallhart bestraft würden, und dass die ganze Mannschaft mit vollem Einsatz am selben Strick ziehen musste.“ Die angefressenen Seebuben wussten also, was zu tun war. Im Heimspiel gegen den Abstiegskandidat Greifensee galt es, die Durststrecke zu beenden, und mit einem Sieg auf den Erfolgspfad zurückzukehren. Man nahm sich viel vor, spielte ansehnlichen Angriffsfussball, und setzte sich zuhause verdient mit 2:1 durch. Auch in der nächsten Partie in der Wefox Arena in Schaffhausen lieferte man einen starken Auftritt ab. Trotz Überlegenheit ging man mit einem 1:2 Rückstand in die Pause, welcher sich in der zweiten Hälfte nicht mehr aufholen liess. Doch der Rückschlag schadete dem Selbstvertrauen des Fanionteams nicht im Geringsten. Zu dem neu gefundenen Spielverständnis und der zunehmenden Integration der Neuzugänge kam hinzu, dass nun endlich alle abwesenden Spieler wieder vollumfänglich am Trainingsbetrieb teilnahmen. In den Übungseinheiten trieb man sich zu Bestleistungen an, und am Wochenende konnte Benz nicht nur mit einer vollen Bank, sondern auch mit mehreren Spielern auf jeder Position rechnen. Diese Grundlage ermöglichte es der Erstmannschaft, in der zweiten Hälfte der Hinrunde einen Lauf hinzulegen, welcher vielversprechend begann, und historisches Ausmass annehmen würde. So gewann man aus den letzten sechs Spielen gegen Hochkaräter wie Wiesendangen, Phönix und Seuzach 14 Punkte, und ging in keiner dieser Partien als Verlierer vom Platz. Man beendete damit die Herbstrunde entgegen allen Widrigkeiten auf dem genialen fünften Platz, nur sechs Punkte hinter Spitzenreiter Schaffhausen II.


Mit dem 1:0 Erfolg in Wiesendangen startete die Serie mit sechs Spielen in Folge ohne Niederlage.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das 2023 ohne Zweifel als das erfolgreichste Jahr in die Herrliberger Vereinsgeschichte eingehen wird. Das Fanionteam hat nicht nur im Sommer den ersten Zweitligaverbleib der Vereinsgeschichte realisiert, sondern auch im Herbst mit 22 Punkten aus 13 Spielen einen neuen Punkterekord in der Zweitliga aufgestellt. Zudem haben die Herrliberger im Vergleich zur Vorsaison nochmals in diversen Bereichen einen Schritt nach vorne machen können, und stellten mit einem Torverhältnis von 22:12 die beste Abwehr aller 14 Teams der 2. Liga Gruppe 2. Wahnsinn! Aber nicht nur die Statistik sorgt für Frohlocken. Die Mannschaft hat in diesem Jahr verschiedenste Herausforderungen gemeistert, Niederlagen und Enttäuschungen weggesteckt, Solidarität und Zusammenhalt ausgebaut, grossartige Erlebnisse geteilt und eine geniale Zeit miteinander verbracht. Auch Kaiser, welcher die Mannschaft aufgrund einer Kreuzbandverletztung hervorragend von der Seitenlinie unterstütze, kommt bei der Reflexion übers 2023 ins Schwärmen: „Alles in allem ein überragendes Jahr! Ich bin unglaublich stolz auf alle Spieler, die Trainer, die Vereinsmitglieder und natürlich unsere Zuschauer. Diese Harmonie zwischen allen Beteiligten ist der Schlüssel, welcher uns zu einem solch wunderbaren Verein macht.“ Auf jeden Fall wurden in diesen 12 Monaten Erinnerungen geschaffen, welche bis am Ende der Tage bleiben werden. Aber es war auch ersichtlich, dass der Erfolg und die damit einhergehenden Gefühle der Freude und des Stolzes keine Selbstläufer sind. Die Erstmannschaft ist gewillt, an den riesigen Einsatz und die ausgezeichnete Zusammenarbeit des 2023 anzuknüpfen, um auch aus dem 2024 ein unvergessliches Jahr zu machen.

Zuletzt möchte sich die gesamte Mannschaft bei allen Zuschauern und dem Verein für die riesige Unterstützung bedanken. Ob auf dem künstlichen Grün daheim oder auf einem regionalen Acker auswärts, auf Euch war immer verlass. Wenn es alleine vom Support von den Rängen und dem Rückhalt aus dem Verein abhängen würde, wäre man sogar schon erstklassig.


Der letzte Auftritt im Jahre 2023 fand auf dem Curlingfeld statt.

 Bericht: Michael Schwarz

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